Christine Watty und Emily Thomey machen einmal die Woche den sehr hörenswerten Podcast “Lakonisch Elegant” für Deutschlandfunk Kultur. Diese Woche ging es um den Streik der Drehbuchautor*innen in den USA und ich war zusammen mit Pola Beck zu Gast, um über die alte Frage zu diskutieren, warum es eigentlich so oft Streit gibt über den Wert eines Drehbuchs.
Weil ich zur Aufzeichnung nicht in Berlin sein konnte, durfte ich mich aus dem Kölner Funkhaus des WDR zuschalten lassen, das ein super Beispiel ist für die immer wieder großartige Nachkriegsarchitektur, die man in Köln finden kann, wenn man nur weiß, wo man hinschauen muss.
Der wahrscheinlich größte Unterschied zwischen literarischem Schreiben und Drehbuchschreiben ist der größere Zwang zu technischen Überlegungen, die ein Drehbuch mit sich bringt. In einem Roman hat man Zeit für alles, für jede Beschreibung und jeden interessanten Umweg, in einer Serie oder einem Film dagegen ist man immer den Zwängen der Form und sogar des Herstellungsprozesses unterworfen. Ein gutes Drehbuch erzählt effizient: so viel wie möglich mit so wenig Aufwand wie möglich. Das berühmte “Show, don’t tell” meint genau diese Effizienz: keine Figur muss sagen, dass sie gerade schwer gestresst ist, kaum geschlafen hat und eine schwierige Zeit durchmacht, wenn sie auch verstrubbelt, mit auf links gedrehtem Pullover und riesigem Kaffeebecher zu spät in die Szene stolpern kann.
Bei einem etwas zu langen Ausflug in die Tiefen von Retro-TV-Vorspännen auf YouTube habe ich vor kurzem den Vorspann von ALF wiederentdeckt – und eventuell zum ersten Mal mit erwachsenen Augen gesehen. Dabei ist mir aufgefallen, was für ein brillantes Beispiel für effizientes Erzählen dieses Intro ist: auf den ersten Blick cheesy und natürlich mit der 90er-Jahre-typischen, heute nur noch ironisch herstellbaren Synthie-Musik unterlegt, ist der ALF-Vorspann auf den zweiten Blick ein super smart konstruiertes Erzählvehikel. Die Camcorder-Subjektive von ALF lässt uns nicht nur physisch seine Sicht auf die Welt nachvollziehen, sondern etabliert gleichzeitig auch seinen Charakter: ALF ist frech – das realisieren wir im Badezimmer – verfressen – das zeigt uns der verbotene Griff nach dem Kuchen – ALF ist aber auch ein guter Freund, schließlich wird er von Brian, dem jungen Sohn der Familie (und einzigem Menschen mit ähnlicher Körpergröße) sofort umarmt. Und: Alf ist fester Bestandteil der Familie – das beweist uns das Schlussbild.
Und als wenn das nicht schon effizient genug wäre, führt der Vorspann quasi im Vorbeigehen auch noch den Rest der Familie ein: Willie als typischen Dad, der sich eine halbe Sekunde lang über die Aufmerksamkeit der Kamera freut, dann aber doch nicht anders kann, als zum Mansplainen korrekterer Filmtechnik anzusetzen; Kate als vermeintlich strenge, aber doch irgendwie für amouröse Jungsphantasien taugende Suburbia-Hausfrau, die von ALF beim Duschen überrascht wird; Lynn als Teenager-Mädchen, das sich zum ständigen Mit-den-Freundinnen-Telefonieren im Schrank versteckt; und Brian, der junge Sohn, für den ALF nicht weniger als ein Bruderersatz zu sein scheint. Selbst ALFs kulinarische Leidenschaft für Katzen wird angedeutet: Hauskatze Lucky ist das einzige Lebewesen im Vorspann, für das ALF seine Kamera sofort ablegt – um ihr hinterher zu jagen.
Der ALF-Vorspann ist auch deshalb so verblüffend, weil er ein so einsames Beispiel seiner Zeit für einen herausragenden Vorspann ist. Während sich bei den meisten anderen Serien dieser Zeit (und bei deutschen Vorabendserien noch heute) einfach nur die Hauptfiguren zu schmissiger Musik in die Kamera drehen und wahlweise lustig gucken oder nett lächeln, erschafft das ALF-Intro eine Erzählsituation, die gleichzeitig universell und persönlich ist – und in einer elektronisierten Welt so zeitlos, dass sie heute noch exakt genauso funktionieren würde, nur dass die Kamera inzwischen in einem Smartphone säße.
P.S.: Ein lustige Fußnote ist dieser Vorspann der ZDF-Serie “Unser Charly”, den man je nach Laune als nette Hommage oder schlechte Kopie des ALF-Intros lesen kann.
Für und mit dem tollen Till Reiners habe ich in diesem Jahr fünf Erklärstücke geschrieben, jeweils zu einem Thema, das uns und der Redaktion wichtig war. Dieses hier liegt mir besonders am Herzen und verdient einen zweiten Blick, weil es dem immer passiveren Verständnis von Politik, das gerade die politische Comedy in den letzten zehn Jahren befeuert hat, sehr kritisch entgegentritt.
Neulich ist mir eingefallen, dass ich die Verlagsrechte für die Drehbücher der ersten Staffel “Eichwald, MdB” besitze – und auch nur für die erste Staffel, aus ZDF-bürokratischen Gründen. Ich habe die Rechte damals eher aus symbolischen Gründen bekommen – selbst bei erfolgreichen Serien sind sie wenig wert, weil sie sich nur auf die Möglichkeit beziehen, die Drehbücher noch mal irgendwann separat zu verlegen. Ein sehr, sehr kleiner Markt.
Aber: weil das Feld der deutschen Comedyserie nach wie vor überschaubar ist und es wenig Anschauungsmaterial darüber gibt, “wie Serien gemacht werden”, sitzen irgendwo vielleicht drei oder vier angehende Autor*innen rum, die sich genau über diese Drehbücher freuen würden. Ich habe die Skripte deshalb hier auf meinem Server abgelegt, zum kostenlosen Runterladen. Und – weil das am spannendsten ist – nicht nur in der Drehfassung, sondern auch in der ungelenken und rohen 1. Fassung.
Ich habe extra in die 1. Fassungen nicht mehr reingeschaut, weil bestimmt irgendwo etwas steht, das mich schlecht aussehen lässt und später zurecht rausgeflogen ist. Aber genau das hätte ich als junger Autor interessant gefunden: zu sehen, wie Dinge anfangen.
Ich habe für Übermedien aufgeschrieben, warum sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk radikal ändern muss, wenn er eine Zukunft haben will.
Und wer nach dem Lesen des Textes noch tiefer einstiegen müsste: ich habe – auch für Übermedien – mit Holger Klein in seinem Podcast “Holger ruft an” ebenfalls über das Thema diskutiert.
Zusammen mit meiner Kollegin Lena Krumkamp war ich bei “Lakonisch Elegant” zu Gast, einem Podcast von Deutschlandfunk Kultur. Wir reden über die französische Serie “In Therapie” (die wiederum ein Remake ist von “BeTipul” aus Israel) und über das Figurenspektrum von Therapeut*innen in Serien und Filmen.
Zusammen mit Thomas Rogel von der heute Show habe ich eine Solidaritätserklärung für die WDR-MitarbeiterInnen verfasst, die hier auch als PDF abrufbar ist. Unter den UnterzeichnerInnen sind unter anderem AutorInnen von allen großen Satire-Sendungen wie der heute Show, dem Neomagazin, extra3 sowie der rbb Abendshow.
Susanne Burg und Patrick Wellinski von “Vollbild”, dem Film- und Fernseh-Magazin auf Deutschlandfunk Kultur, haben uns zwei Jahre lang bei der Arbeit an der zweiten Staffel “Eichwald, MdB” begleitet. Daraus ist jetzt ein einstündiges Feature geworden, das alle Unebenheiten und sonstigen Probleme noch mal nachzeichnet. Sehr hörenswert, nur vielleicht nicht an depressiven Wintertagen.
Die Sendung ist über die Webseite vom Deutschlandfunk abrufbar oder über die Podcast-Feed von “Vollbild”.